24/02/2009

Im Unterschied zu anderen TouristInnen verstehen sich AlternativtouristInnen als „kosmopolitisch, multikulturell und reisend“. Um den Distinktionsgewinn ihres mobilen und multikulturellen Lebensstils aufrechterhalten zu können, brauchen sie nicht nur den verteufelten Massentourismus als Gegenpol zur eigenen Individualität, sondern auch ein unbewegliches monokulturelles Gegenüber: die bereiste Gesellschaft. Deren Kultur wird dabei nicht weiter ausdifferenziert an ein klar abgrenzbares Territorium gebunden und in eine vormoderne Zeit verlagert. (...) Den Bereisten wird hier die Bewegung im selben Raum abgesprochen. Die eigene kulturelle Identität wird dabei jedoch nicht konkreter bezeichnet. Vielmehr beanspruchen die KonsumentInnen eine privilegierte Leerstelle für sich, indem ihre weltumspannende und multikulturelle Ideologie die „Fremden“ als Marionetten ihrer Kollektive betrachtet (schließlich ist deren Bodenständigkeit für die Abgrenzung zum mobilen Tourismus konstitutiv) während sie selbst die Anerkennung der Kulturenvielfalt als politisch korrekte Einstellung vor sich hertragen und zugleich Wertneutralität gegenüber kulturellen Unterschieden deklarieren. Voraussetzung hierfür (...) ist ein Bewusstsein über eine gesellschaftliche Ordnung aus immobilen kulturellen Identitäten und mobilen multikulturellen TouristInnen. Damit versetzt sich letztere durch ihre eigene vermeintliche Inhaltsleere und proklamierte Wertneutralität in eine gehobene Position. Diese gehobene Position ist durch einen privilegierten Zugang zu einer möglichst großen Anzahl immobilisierter Kulturen gekennzeichnet, also durch das Privileg nahezu uneingeschränkter eigener Mobilität bei gleichzeitiger Unbeweglichkeit der Anderen.Ramona Lenz nach: Turbulente Ränder. Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas. Bielefeld, 2007